Ludwigshafener Rundschau: Jedermann aus der Neckarstadt | 19.05.2016

Jedermann aus der Neckarstadt

Von Sarah Engesser

Es geht hier um ganz grundsätzliche Fragen: um Leben und Tod, um Geld und Kunst, um den Gegensatz zwischen geistigen und materiellen Werten. Das Theaterstück „Flirt mit dem Tod“ stammt von Klaus Servene, der Regisseur Limeik Topchi, der schon mit Hansgünther Heyme gearbeitet hat, inszeniert es in Mannheim mit der freien Theatergruppe Unser Theater. Die Premiere ist am 20. Mai im Capitol.

Limeik TopchiSchon als Kind hatte der heute 30-jährige Regisseur den Traum, Schauspieler zu werden und studierte dann Schauspiel und Regie an der Universität Plovdiv in Bulgarien. Da er in Bulgarien wenige Möglichkeiten sah, Theater zu machen, kam er 2012 nach Deutschland. „Die Bühne ist meine Heimat, da fühle ich mich wohl. Obwohl ich noch wenig Deutsch konnte am Anfang, bin ich oft ins Nationaltheater gegangen. Theater kann man fühlen, man muss nicht jedes Wort verstehen“, sagt Topchi. Die Idee zu „Flirt mit dem Tod“ hatte Topchi bei den Theaterarbeiten zu Hansgünther Heymes „Der Sturm“ im vergangenen Jahr, bei dem er die Hauptrolle des Prospero spielte und Regieassistent war. Das Mannheimer Theaterprojekt des langjährigen Intendanten des Theaters im Pfalzbau in Ludwigshafen brachte bulgarische und deutsche Laienschauspieler zusammen auf die Bühne und warb so für mehr interkulturelle Verständigung. „Flirt mit dem Tod“ des in Mannheim lebenden Autors und Herausgebers Klaus Severne ist nun Topchis erste eigenständige Regiearbeit in Deutschland. Severne hatte Topchi 2014 beim Interkulturellen Suppenfest in Mannheim kennengelernt, gemeinsam entwickelten sie das aktuelle Stück. „Diesen Mann muss man in Mannheim halten. Er hat den Blick fürs Ganze und nimmt die Reaktionen der Schauspieler auf. Ich hoffe, dass er lange hier bliebt“, sagt Servene. In drei Jahren wollen Severne und Topchi das Stück auch in der bulgarischen Stadt Plovdiv aufführen, der Europäischen Kulturhauptstadt 2019.

Das Dreipersonenstück, das an Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ angelehnt ist, spielt in einer Mietswohnung im Mannheimer Stadtteil Neckarstadt. Ein musisch talentierter und künstlerisch interessierter Mann – im Stück „Mensch“ genannt – leidet unter seiner Arbeit, die ihn nicht erfüllt, die ihm sinnlos erscheint und die ihm immer mehr Zeitinvestition und Lebensenergie abverlang. Ein überraschter Lottogewinn verändert sein Leben. Er schmiedet Pläne von einem neuen Auto, einem Haus am Meer und einer Weltreise. Doch der unterwürfige Versager wandelt sich zu einem überheblichen Prahler. So hält der „Mensch“ die Frau, die morgens vor seinem Fenster erscheint, für eine Prostituierte, die von seinem Reichtum angelockt und ihm nun zu Diensten ist. Er kann nicht glauben, dass ihm der Tod in Gestalt einer schönen Frau erscheint und hält die entsprechenden Erklärungen der Frau für ein erotisches Spiel.
Als der „Mensch“ seine Situation endlich begreift, versucht er den Tod zu bestechen. Eines seiner Gedichte offenbart seine romantische Seele, und der Tod gerät selbst in Zweifel darüber, ob er seiner wachsenden Zuneigung zum „Mensch“ nachgeben oder seinen Auftrag ausführen soll.
„Das Stück wirft Fragen nach Sinn und Unsinn unseres täglichen Strebens, nach unseren unerfüllten Erwartungen und Enttäuschungen auf. Gleichzeitig konfrontiert es die Zuschauer mit der Endlichkeit des Lebens“, sagt Topchi. Es sind Fragen, die jeden Menschen – egal welcher Nation oder Religion – betreffen. Es betont so die Gemeinsamkeiten, wie sich in einer Szene am Ende des Stücks zeigt. Ein Junge dreht ganz langsam einen Globus in seinen Händen, schaut auf die Welt und sagt: „Es wird der Tag kommen, an dem die Menschen von Mensch zu Mensch sagen können, wir sind doch Geschwister unter einer Sonne.“
Termine:
Premiere am Freitag, 20. Mai, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol. Weitere Aufführungen am 1. Juni und 23. Juli.

Ludwigshafener Rundschau 19. Mai 2016 – Kultur Regional